Elektrisierende Zeiten
2. Omexom Technikforum beleuchtete „Energiewende 2.0 und Digitalisierung“ und begeisterte Fachleute aus allen Bereichen der Energiewirtschaft
Frostige Tage eignen sich gut, um heiße Themen zu diskutieren. So jedenfalls schien es am 1. und 2. März in Würzburg. Während sich draußen manche E-Mobilisten über die kältebedingt stark verkürzten Reichweiten ihrer Fahrzeuge ärgerten, entfaltete sich im wohltemperierten Würzburger Kongresszentrum die Perspektive von Elektroautos, die sich in fünf Minuten auf 700 Kilometer aufladen lassen. Und das erstaunlich bald. Erneut zeigte sich: Das von Omexom kreierte zweitägige Kongressformat trifft den Nerv der Zeit und der Teilnehmer. Über 230 hochkarätige Besucher aus Wissenschaft und Energiewirtschaft fanden sich zum spannungsreichen Diskutieren und Networken zusammen. Die Aufbruchsstimmung, die sich schon am ersten Tag entwickelte, steigerte sich zum Ende hin sogar noch.
Das Netz wird „weicher“ und „schneller“
Schon heute ist klar: Die von der Elektromobilität abgerufenen Leistungen werden sprunghaft wachsen. Das kann die Netze überlasten, so Prof. Jutta Hanson von der TU Darmstadt, deren Eröffnungsvortrag gleich ein Highlight setzte. Aber neben einer zukünftig geänderten Belastung des elektrischen Netzes hat sich in der Erzeugungsstruktur bereits heute ein dramatischer Wandel im Rahmen der Energiewende vollzogen. Ein Netz mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien bedeutet den Ersatz der klassischen Maschine durch leistungselektronische Schaltungen mit vielen dezentralen und verbrauchsfernen Einspeisepunkten. Das Netz wird „weicher“ (weniger spannungsstabil) und „schneller“ (weniger frequenzstabil), was völlig neue Denkansätze erfordert.
Dabei sind moderne Informations- und Kommunikationstechniken als ein wesentlicher Bestandteil in diese neuen Denkansätze einzubeziehen. Die intelligente Nutzung von lokalen und globalen Daten ermöglicht den Einsatz neuer Technologien, aber auch Freiheitsgrade für den Netzbetrieb. So sind zukünftig z.B. autonom geregelte Netzbereiche denkbar.
Schlüsselfrage E-Sicherheit
Diese autonomen volldigitalen Netze der Zukunft werden natürlich noch anfälliger gegen Cyberattacken, wie Stephan Hutterer, Manager eines auf Energieautomation spezialisierten Unternehmens, klarmachte. Er mahnte zugleich eine EU-weite Sicherheitspolitik an, die in geltendes Länderrecht umgesetzt werden muss, und beschrieb die ideale Sicherheitsarchitektur eines Versorgers/Betreibers am Beispiel eines Zwiebelschalen-Aufbaus, das von der Unternehmensumgebung bis zur implementierten Schutz- und Leittechnik als Kern des Unternehmens reicht.
Teil der Lösung: DC-Kabeltechnik
Wie aber gehen die Praktiker mit den neuen Anforderungen um? Tennet, der führende Übertragungsnetzbetreiber in Europa hält die Netzverfügbarkeit auf dem beeindruckenden Niveau von 99,9999 %, so Roland Dongping Zhang, Expertenteamleiter für die Kabeltechnik des Unternehmens. Vor TenneT steht ein Netzausbau von über 5000 km.
Tennet ist zugleich Pionier bei der landschaftsschonenden Verlegung von Hochspannungskabeln off- und onshore. Problem: die fehlenden Langzeiterfahrungen mit Umrichtern und Kabeln im Höchstleistungsbereich. Das erfordert neue Definitionen für Betriebssicherheit und Qualitätssicherung sowie jede Menge eigener Tests.
Ressourcennutzung nahe am Optimum
Und die bestehende Freileitungs-Infrastruktur? Engpässe drohen, wenn der Übertragungsbedarf wie prognostiziert steigt und die Ertüchtigungs- und Neubaumaßnahmen weiter hinter dem Plan zurückbleiben. „Was können wir noch herauskitzeln?“, fragte Stephanie Ropenus, Vertreterin von Agora Energiewende, einem unabhängigen Berliner Thinktank. Digitalisierung soll helfen, die bestehenden Kapazitäten besser zu nutzen. Unter anderem muss das Freileitungsmonitoring verstärkt werden sowie der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen, Speichertechnologien und eine intelligente Lastflusssteuerung müssen zum Einsatz kommen. Auch wenn sie den Netzausbau nicht umfassend ersetzen können.
Netzausbau clever reduzieren
Letztlich geht es darum, mehr Flexibilität zu entwickeln, merkte Prof. Tenbohlen an. Der Direktor des Instituts für Energieübertragung und Hochspannungstechnik der Universität Stuttgart referierte über die „Herausforderungen für die Verteilnetze durch Erneuerbare Energien und Elektromobilität.“ Sein Vorschlag: Mit einer Planung auf Basis probabilistischer Lastflussrechnung zusammen mit einer Kappung der Spitzenlasten den Netzausbau zu optimieren.
Flexibilität in Echtzeit steuern
Tenbohlens Fazit: Wenn E-Mobility inklusive „Laden vorm Aldi“ Alltag werden, brauchen wir ein Infrastruktur-Informationssystem, um Flexibilitäten in Echtzeit zu steuern. Ob das reicht? „Ich spüre den Druck der Automobilindustrie“, sagte Prof. Konermann. Auch der Technische Geschäftsführer von Netze BW prognostizierte einen „spürbaren Hochlauf“ der Elektromobilität, der nicht an mangelnder Netzkapazität scheitern darf. Beispiel: das Leistungsproblem, das entsteht, wenn Zigtausende nach Feierabend daheim ihr Auto aufladen – zumal, wenn es sich dabei um einen elektrischen Porsche handelt, wie ihn Michael Kiefer, Direktor aus dem Porsche Engineering, in seinem Vortrag vorstellte. Kiefer umriss die „Road to E-Performance“, die seine Marke gerade ausrollt. Dabei sollen die Leistungsmerkmale eines E-Porsches auf eine völlig neue Ladeinfrastruktur abgebildet werden. Wie bekommt man soviel Performance in den Griff? Durch Netzausbau, Speicherlösungen und intelligentes Lastmanagement, so Prof. Konermann.
Einfach machen und schauen
Dazu braucht man Erfahrungswerte. Konermann präsentierte die „Netzlabor E-Mobility-Allee“ in Ostfildern, wo Netze BW zehn Pilotkunden mit kostenlosen E-Fahrzeugen plus Ladestruktur ausstatten wird. Dass es bei solchen Konzepten auch um Kundenfreundlichkeit gehen muss, verdeutlichten Karsten Schmidt und Josef Karl von Fraunhofer bzw. Schneider Elektrik. Sie zeigten, wie sich mit Strom, Wärme und Mobilität umfassenden Energiemanagementsystemen intelligente, werthaltige und damit vermarktbare Quartiersmodelle entwickeln lassen.
Win-win-Situationen durch Digitalisierung
Was sagen die Stadtwerke dazu? Während Thomas Schäfer, Leiter der Stadtwerke Würzburg, die durch die Digitalisierung angestoßenen Veränderungen seiner Unternehmensorganisation beschrieb und dazu riet, das Thema eher pragmatisch anzugehen, stellte sein Berliner Namensvetter die Chancen einer Volldigitalisierung im drittgrößten Verteilnetz der EU vor. Der Geschäftsführer vom Stromnetz Berlin will eine zentrale Niederspannungsnetzführung, um Veränderungen im Netz schneller und umfassender zu erkennen und so verbesserten Kundenservices in der rasant wachsenden Stadt zu garantieren. Noch ein Vorteil: „Zum ersten Mal können wir das Ende unseres Eigentums erkennen“ – Smart Metering sei Dank.
E-Mobilität per Stromabnehmer
„Die Straßenbahn ist das größte elektromobile Konzept der Stadt“ – mit dieser Aussage überraschte Alfred Müllner, Chef der Stadtwerke Augsburg. Sein Bike- und E-Carsharing-Angebot ergänzt den 100 Millionen Euro schweren Ausbau der Straßenbahn mit dem Ziel, die Benutzung privater PKW in der Stadt dauerhaft deutlich zu reduzieren. Ein Beispiel für langfristige und an den Bedarf vor Ort angepasste Strategien, die im kommunalen Bereich dringend gefordert sind.
Alles eine Frage der Speicher
Langfristiges Denken mahnte auch Prof. Michael Sterner an. „Wir dürfen nicht nur auf die nächste Berghütte schauen, sondern auf den Gipfel,“ sagte der Spezialist für Energiespeicher an der OTH Regensburg. Sterner beleuchtete die Energiewende 2.0 aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und erklärte: Ohne Energiespeicher geht es nicht. Gemeint sind nicht nur Batterien. Auch Pumpspeicher, Wärmespeicher, Kohlehalden sowie Gasspeicher gehören ins Konzept.
Zukunft in vier Wenden
Alle Speichertechnologien sind laut Sterner marktreif vorhanden, wobei die Power-to-Gas-Technik den Netzausbau besonders kosteneffizient ergänzt. Betrachtet man die Energiewende ganzheitlich als Strom-, Wärme-, Mobilitäts- und Rohstoffwende, lassen sich mit entsprechenden Speicherlösungen die Sektoren zu einem Ganzen vernetzen. Ob dieses Ganze ein einziges großes zentrales Netz sein wird, ist noch keineswegs ausgemacht. „Von unten“ wächst nämlich ein dezentrales Netz heran. Das lässt die Energiewende weiterhin spannend bleiben, und die Politik steht mehr denn je in der Pflicht.
Omexom ist Partner für die Energiewende
„Energiewende – jemand muss es machen“, führte Gastgeber Dr. Friedrich Wilhelm Knebel, Leiter von Omexom Deutschland, abschließend aus. Ob HGÜ-Leitungen, Windkraft-Konverterstationen, ob Übertragungs- und Verteilnetzverstärkungen oder der Aufbau von Schnelladestationen für die Elektromobilität – das Netzwerk Omexom steht seinen Kunden zur Seite.